Bauliches und geistiges Zentrum in Kiedrich ist wie so oft eine Kirche. Und was für eine. Die 2010 von Papst Benedikt XVI. zur Basilika minor erhobene katholische Pfarrkirche St. Valentinus und Dionysius entstand etwa ab dem Jahr 1300. Nachdem um 1350 Reliquien des heiligen Valentin – u.a. Schutzparton der Liebenden – vom Kloster Eberbach nach Kiedrich gebracht wurden, setzte eine rege Wallfahrt ein. Aus den Spenden der Wallfahrer finanzierte man in der Folge den prächtigen Ausbau der Valentinuskirche, wie er sich heute fast unverändert zeigt.
Das Inventar der Valentinuskirche stammt fast vollständig aus der Zeit um 1500. Speziell die geschnitzten Kirchenbänke gelten als Juwel der Gotik. Der Rheingauer Schreinermeister Erhart Falckener fertigte das sogenannte Kiedricher Laiengestühl und versah es mit der Gerechtigkeitsspirale: einer dekorativen Textanordnung in Form einer Spirale, die auf einer Brüstungsplatte angebracht ist.
Ebenfalls beeindruckend ist die Kiedricher Madonna, eine thronende Muttergottes, deren Lächeln und die feinen Gesichtszüge schon manchen Kirchgänger fasziniert haben. Die Kiedricher Madonna entstand um 1330.
Als gotischer Dreiklang gilt die musikalische Seite der St. Valentinus Kirche bestehend aus dem Geläut (die älteste Glocke stammt von 1339), der Orgel und den Chorbuben. Die Kiedricher Orgel zählt zu den ältesten noch spielbaren Orgeln der Welt. 80% der 960 Kirchenpfeifen und 90% des Orgelprospekts stammen aus der Bauzeit von 1500-20. Das hat Auswirkungen im täglichen Geschäft: Die Kiedricher Orgel besitzt eine historische Stimmung, auf der man unverfälscht Musik der Gotik, Renaissance und des Frühbarock spielen kann. Moderne Musik – also so ab Johann Sebastian Bach – dagegen klingen befremdlich.
Dem dritten Teil des gotischen Dreiklangs macht das nicht, der musiziert sogar nach noch älteren Standards. Seit 1333 singen die Kiedricher Chorbuben Sonntag für Sonntag gregorianische Choräle in einem germanischen Dialekt aufgezeichnet in Form sogenannter Hufnagelnoten.
Direkt auf dem Kirchplatz wurde 1444 eine Totenkapelle mit Beinhaus erbaut, die heutige Michaelskapelle. Die Kiedricher Michaelskapelle zählt zu den berühmtesten spätgotischen Kirchen am Mittelrhein und als künstlerisch edelstes Beispiel der Gotik in ganz Hessen. Bekannt ist vor allem Chörlein, ein Erkerausbau, der typisch für Gotik und Renaissance ist.
Blickfang in der Michaelskapelle ist die lebensgroße, von sieben Engelsköpfen getragene doppelte Mondsichelmadonna. Sie entstand um 1520 und wird der Backoffen-Schule zugerechnet. Der Mainzer Bildhauer Hans Backoffen gilt als einer der Meister des spätgotischen Barock. Ebenfalls meisterhaft ist der siebenarmiger Kronleuchter, auf dem die Madonna steht. Er wurde 1512 hergestellt und wird von Experten als Meisterwerk spätgotischer Schmiedekunst bewertet.
Auf dem Kirchplatz steht auch das alte Pfarrhaus, das 1626 erbaut worden ist. Zum neuen Pfarrhaus wurde 2009 die alte Schule umfunktioniert, ebenfalls direkt an der Kirche gelegen. Die alte Schule ist ein schlichter Fachwerkbau aus dem 18. Jahrhundert, das auf einen mittelalterlichen Keller aufgesetzt wurde.
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