Eigentlich ist es nur ein typisches Dorf. Das jedenfalls würde man sagen, wenn wir heute noch das Jahr 1500 schreiben würden. Da wir uns aber im 21. Jahrhundert befinden, ist das oberhalb von Eltville inmitten von Rebhängen liegende Weindorf Kiedrich etwas ganz besonderes: Nie von Krieg oder Feuer zerstört, präsentiert sich die Rheingau-Gemeinde Kiedrich als Schatzkästlein der Gotik. Und da gibt es für den interessierten Besucher einiges zu entdecken.
Gegenüber des gotischen Ensembles der St. Valentinus Kirche steht das Renaissance-Rathaus von Kiedrich, das 1585 an der Stelle eines mittelalterlichen Pilgerhospitals mit repräsentativen Erkern und Treppenturm errichtet wurde. Auf der anderen Straßenseite an der Kirchmauer befindet sich der 1998 restaurierte Marktbrunnen. Er wurde 1541 von Moritz Lechler gefertigt und gilt als einer der ältesten Marktbrunnen im Rheingau.
Rechter Hand unterhalb der Kirche residiert heute das Weingut Robert Weil in der Sutton-Villa. Die Villa wurde 1860 im Stil eines englischen Landhauses für den Kunstmäzen Sir John Sutton erbaut. Er besuchte Kiedrich 1857 erstmalig und war sofort fasziniert. Mit großem finanziellen Aufwand ließ er die Valentinuskirche renovieren, stiftete eine Chorschule für die Kiedricher Chorbuben und wollte auch selbst eine Heimstatt in diesem Schatzkästlein der Gotik haben. Sutton starb 1873 in Brügge. Sein Leichnam wurde 1974 nach Kiedrich überführt und vom Limburger Weihbischof in einem Ehrengrab auf dem Kirchhof beigesetzt.
Zu den Wohltaten, die Sutton Kiedrich spendierte, gehört auch der Ankauf eines Wohnhauses direkt oberhalb der Kirche, dem heutigen Chorstift. Das Haus wurde 1693 erbaut und 1866 vom Pfarrer Sir John Suttons als Sitz der Chorstiftung und Wohnhaus des Chorregenten gekauft. Im 1776 erbauten Kelterhaus wurde die Chorschule eingerichtet, die heute auch das Chormuseum beherbert, in dem handgeschriebene und gedruckte Notenbücher aus fast acht Jahrhunderten befinden.
Folgt man vom Chorstift aus der Suttonstraße, kommt man zum Eberbacher Hof. Dieser wurde vom Kloster Eberbach gegründet, der in Kiedrich einige Weinberge besaß. Bereits 1211 wird der Eberbacher Hof in Kiedrich urkundlich erwähnt. Etwas tiefer, hinter der Kirche am Kiedricher Bach, gehörte zum Eberbacher Hof die Eberbacher Klostermühle Das von Mauern umschlossene Mühlengehöft wurde 1610 erbaut und zählt zu den charaktervollsten Fachwerkbauten Kiedrichs.
Zahlreiche weitere Höfe säumen die Straßen von Kiedrich, die hier nur kurz angerissen werden können. Da ist z.B. der Bassenheimer Hof, der 1660 mit Wehrgang und Schießscharten über dem Tor erbaut wurde. Der Fürstenberger Hof entstand aus einer Hofreit der Herren von Katzenelnbogen aus dem 15. Jahrhundert. Der Köther Hof war ein Wirtschaftshof des Klosters Gottesthal. Der Hof Metternich schließlich ist alter Besitz der Burg Scharfenstein und fiel später an die Familie Metternich. Das Gelände erwarb 1877 der Kiedricher Pfarrer und legte damit den Grundstein zum St. Valentinushaus, das heute als großes Krankenhaus von der gemeinnützigen Scivias Caritas GmbH betrieben wird.
Auffällig ist auch Schloss Groenesteyn, eine klassizistische Dreiflügel-Anlage mit Kapelle und zwei vorgelagerten eingemauerten Weinbergen. Ursprünglich ein Besitz der Herren von Hohenstein im Aartal fiel das Anwesen später an Schwalbach und kam dann durch Heirat 1640 in den Besitz des Stephan Ritter zu Groenesteyn. Stephans Enkel Anselm Franz war ein begnadeter Architekt in kurmainzischen Diensten, aus dessen Feder u.a. die Entwürfe für den Landtag in Mainz und das Lustschloss Favorite stammen. Er baute aus dem Gutshof 1732 das Schloss Groenesteyn mit beeindruckenden Stuckarbeiten.
Das gotische Weindorf Kiedrich ist immer einen Besuch wert. Wer seinen Aufenthalt in Kiedrich allerdings noch mit ein bisschen Lokalkolorit schmücken möchte, kommt am ersten Sonntag im Juni zum Champagnerfest, am letzten Wochenende im Juni zum Rieslingfest oder am Donnerstag vor Karneval: Dann nämlich findet im großen Festzelt die Schnorrer-Rallye des Kiedricher Carnevalvereins statt.
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